Silvester ist für viele Hunde die Nacht des Horrors. Oftmals wird schon Tage oder Wochen vor dem Jahreswechsel und noch Tage nach Neujahr geschossen. Um die Angst des Hundes zu verstehen, müssen wir uns die einzelnen Elemente und Angsttrigger genauer ansehen. Eine Neujahrsrakete triggert beim Hund viele Urängste an
Zisch-, Knall- und Schussgeräusche, wie sie von Feuerwerksraketen abgegeben werden, sind instinktiv oft Angstauslöser. Noch dazu treten sie im „solby surround-Effekt“ auf - der Hund kann die Richtung aus der die Geräusche kommen nicht erkennen. Es gibt viele Hunde, die schussfest sein, die trotzdem zu Silvester Angst haben. Dies liegt daran, dass ein Gewehrschuss lokalisierbar ist.
Ein weiteres Kriterium ist die Intensität mit der die Schussgeräusche auftreten - eine Raketen verkraftet der Hund, aber bei einem kompletten Feuerwerk ist er überfordert.
Der Geruch nach Feuer und Schwarzpulver ist ein natürlicher Angstauslöser, der nicht gelernt werden muss. Bei Feuer ohne nachzudenken zu flüchten, sichert das Überleben.
Haben Hunde schon schlechte Erfahrung mit Silvester gemacht, ist dieser Geruch mit der Emotion Angst verknüpft.
Unnatürliche grell aufblitzende Lichter, die den Himmel erhellen und in hoher Intensität und über einen längeren Zeitraum auftreten. Wer würde sich da nicht fürchten, wenn er nicht weiß, worum es sich hierbei handelt?Zusätzlich erzeugen die Raketen spürbare Vibrationen.
Angst ist Stress und dies führt zur Ausschüttung von zahlreichen Hormonen. Zuerst wird Adrenalin ausgeschüttet, damit der Körper für eine Flucht mobilisiert wird (erhöhte Herz- und Atemfrequenz, Durchblutung der Muskulatur,….)
Das Stresshormon Cortisol wird erst etwas später im Körper aktiv. Wir kennen es von uns selbst: Ist man im Stress, kann man nicht mehr logisch Denken. Man unternimmt 100 Handgriffe und mit 5 wäre es eigentlich erledigt gewesen. Trotzdem vergisst man noch die Hälfte. In so einem Zustand könnten wir nicht einmal eine einfache mathematische Aufgabe lösen.
Ähnlich ergeht es dem Hund: Er hat tatsächlich Angst um sein Leben. Eine Flucht ist unmöglich, da die Geräusche überall sind. In diesem Zustand ist er nicht ansprechbar, geschweige dass er etwas lernen kann.
Dies mache evolutionär gesehen auch Sinn: Sobald Gefahr im Verzug ist, muss man angreifen oder flüchten ohne viel Nachdenken zu müssen. Sonst ist man gefressen. Diejenigen, die zulange überlegen, werden gefressen.
Nicht jeder Hund zeigt seine „Angst“ auf dieselbe Art und Weise.
Früher hieß es einfach oft: „Der muss da durch, der wird schon merken, dass ihm nichts passiert.“Der Stress verhindert allerdings, dass der Hund lernen kann, dass die Situation ungefährlich ist. Eigentlich handelt es sich hier um Flooding - das ist tierschutzrelevant und laut Tierschutzgesetz verboten. Es würde bedeuten, dass man den Hund dem Reiz aussetzt, ohne ihn zu unterstützen oder eine Lösungs- und Fluchtmöglichkeit zu bieten.
Sperren Sie einen Menschen mit Spinnenphobie in ein kleines Terrarium voller Vogelspinnen - er wird schon merken, dass ihm nichts passiert.
Leider hört man immer wieder den Tipp, dass man Hunde, die Angst haben, nicht trösten soll. Denn dadurch verstärkt man die Angst.
Angst ist eine Emotion und kann im Gegensatz zu Verhalten, das rational gezeigt wird (die Voraussetzung um Verhalten verstärken zu können ist, dass es BEWUSST gezeigt wird) durch Zuneigung nicht verstärkt oder bestätigt werden.
Es würde niemandem einfallen, ein weinendes Kind, das sich vor dem Krampus fürchtet, zu ignorieren.
Zuneigung und soziale Unterstützung sind für den Hund besonders wichtig, v.a. wenn er Angst hat. Angst zu ignorieren kann nachhaltig die Beziehung zwischen Hund und Halter zerstören.
Grundsätzlich kann auch bei einem Hund, der sich noch nicht fürchtet, jederzeit diese Angst entstehen, indem er sich z.B.: schreckt oder zu viele Raketen auf einmal abgeschossen werden.
Vorsorgen ist immer besser als danach lange trainieren.
Hunde, die bereits massiv unter Angst leiden, benötigen ein Training, das viel Zeit in Anspruch nimmt. Je nach Schweregrad der Angst kann dies auch 1 Jahr dauern.
Viele Flughafenhotels bieten Hundebesitzern die Möglichkeit in der Silvesternacht dort zu übernachten, da am Flughafen Raketenverbot gilt.
Dies ist aber oftmals eine sehr kostspielige Angelegenheit.
Hunde, die massiv Angst haben, sich weigern das Haus zu verlassen oder zitternd in einer Ecke sitzen, kann oft nur mit Medikamenten geholfen werden. Hierfür bitte einen Verhaltensmediziner aufsuchen, der das Tier medikamentös unterstützen kann. Dies sollte im Idealfall bereits Anfang November geschehen, da Tiere unterschiedlich auf verschiedene Medikamente reagieren und erst die richtige Dosierung gefunden werden muss.
Es gibt Medikamente, die man nur zu Neujahr gibt oder auch welche, die man über einen längeren Zeitraum geben muss, damit sie ihre Wirkung entfalten. Bitte Medikamente IMMER nur in Absprache mit dem Tierarzt verabreichen, da diese auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben.
In der Silvesternacht gibt es zahlreiche Maßnahmen, die den Hund unterstützen können.
Natürlich darf man sich von diesen Maßnahmen keine Wunder erhoffen. Sie dienen dem Hund als Unterstützung und können eine schwierige Situation leichter für den Vierbeiner machen.
Viele Welpen fürchten sich noch nicht in der Silvesternacht.
Zumeist entwickelt sich diese Angst durch eine schlechte Erfahrung, wenn sich der Hund z.B.: schreckt, weil ein Knaller ganz in der Nähe gezündet wurde. Gerade die Pubertät ist eine sensible Phase, in der sich viele Ängste entwickeln.
Seniorenhunde können Geräusche nicht mehr gut zuordnen und entwickeln oft massive Ängste.
Bei Welpen kann man beispielsweise Silvestergeräusche-CDs leise abspielen und mit dem Hund tolle Sachen machen, die ihm Spaß machen wie etwa eine Schnüffelkiste oder einen Schnüffelteppich. Man kann mit ihm spielen und kleine Tricks beibringen - alles, was Spaß macht ist erlaubt und erwünscht. Langsam kann man die CD immer lauter drehen. Der Welpe sollte immer die Möglichkeit haben, aus dem Raum gehen zu können, wenn es ihm zuviel ist.