Sämtliche Mythen und Erziehungsmethoden, die teilweise seit Jahrzehnten überholt sind, halten sich hartnäckig. Das ist nicht nur schade, sondern kann auch massiv die Mensch-Hund-Bindung schädigen. Eine gute Bindung beruht auf Vertrauen und Sicherheit. Vielleicht bist auch du mit diesen Tipps groß geworden und hinterfragst sie mittlerweile.
Dominanz ist KEINE Eigenschaft, sondern ein Verhältnis zwischen zwei Lebewesen. Man kann einer bestimmten Person gegenüber dominant sein, einer anderen gegenüber aber eher submissiv.
Was fälschlicherweise als Dominanz fehlinterpretiert wird, ist sehr oft unsicheres Verhalten, wie auf einen anderen Hund hinstürmen und ihn anbellen. Mit diesem Verhalten zeigt der Hund auf eine unsichere Art und Weise, dass er Distanzvergrößerung möchte.
Stärke hat es nicht nötig Schwäche auszunutzen. Je sicherer und souveräner ein Hund ist, desto mehr wirkt er durch sein Auftreten. Ein souveräner Hund hat es nicht nötig viel zu bellen, er wirkt durch seine Präsenz.
Nur über Ignorieren verlernt der Hund das unerwünschte Verhalten nicht. Dein Hund springt z.B.: an Menschen hoch. Dieses Verhalten ist sehr lange bestätigt worden. Dies passiert in den meisten Fällen unbewusst, indem man den Hund anlächelt, streichelt oder oft ist auch ein „Aus“ für den Hund Aufmerksamkeit - somit lohnt sich das Verhalten Hochspringen für den Hund. Ein Verhalten, das lange verstärkt wurde, kann nur mit Ignorieren nicht abtrainiert werden.
Der Hund springt hoch und du drehst dich weg, er versucht es wieder und wieder und du drehst dich weiter weg - der Hund wird frustig, weil er auf einmal nicht mehr zum Erfolg kommt. Es tritt der „Löschungstrotz“ ein - der Hund intensiviert aus Frust das Verhalten. Das Hochspringen wird intensiver und heftiger. Ja, es würde irgendwann einmal abebben, allerdings dauert das sehr lange und das hält man als Mensch nicht durch.
Wichtig ist, dass man dem Hund zeigt oder sagt, was er statt dem Hochspringen tun soll. Man kann sich schon wegdrehen, wenn der Hund hochspringt, aber wenn er auf dem Boden bleibt (auch nur für 30sec), sollte er belohnt werden (Aufmerksamkeit, Leckerchen). Man kann auch ein Alternativverhalten wie „Platz“ aufbauen.
Ein Rudel entsteht nur innerartlich - der Mensch gehört aber nicht zur Rasse Hund ;-). Hunde sind soziale Lebewesen, die ein stressfreies Miteinander bevorzugen. Die Beobachtungen, die zu der Rudelführer-Theorie führten, stammen von Wölfen in Gefangenschaft. Während Wölfe in freier Wildbahn im Familienverband leben, leben die Tiere in Gefangenschaft nicht nur auf verhältnismäßig engem Raum, sie sind auch nicht miteinander verwandt.
Hunde brauchen Sicherheit und Schutz, sie wollen zur Familie gehören. Sie sind selbstbestimmte Lebewesen, die auch ihren Freiraum benötigen. Sie brauchen niemanden, der ihnen diktatorisch jeden Schritt im Leben vorgibt.
Grundsätzlich kann nur Verhalten verstärkt werden, dass rational gezeigt wird - das der Hund also bewusst zeigt. Wenn du deinem Hund ein Handtarget beibringen möchtest, startest du in einem entspannten Zustand und unter ablenkungsarmer Umgebung. Dein Hund kann logisch denken, weil er keinen Stress hat.
Hat dein Hund allerdings Angst, zeigt er das Verhalten nicht mehr bewusst. Bei Angst und Stress spielen viele Hormone eine Rolle. Unter Anderem Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin. Bei länger anhaltendem Stress wird der Teil des Gehirns, der für logisches Denken verantwortlich ist, blockiert. Somit ist das Tier nur mehr fähig 4 Stressreaktionen auszuführen: Flight, Freeze, Fiddle oder Flee.
Denke einmal, wie es dir geht, wenn du Stress hast? Man macht 50 Handgriffe und mit 3 wäre es auch erledigt gewesen. Und trotzdem vergisst man noch die Hälfte. In diesem Zustand könntest du nicht einmal eine einfache mathematische Grundschulaufgabe bewältigen. Dies hat evolutionsbiologisch den Sinn, dass der denkende Teil des Gehirns ausgeschaltet wird, um schnell flüchten zu können. Das hat früher das Überleben gesichert.
Angst ist eine Emotion. Eine Emotion kann im Gegensatz zu Verhalten mit Zuneigung nicht verstärkt werden. Würde uns einfallen, dass wir ein Kind, das aus Angst weint, ignorieren, weil wenn wir es in den Arm nehmen, wird die Angst verstärkt? Fühlst du dich besser, wenn du Angst hast und man nimmt dich in den Arm oder wird dann deine Angst bestätigt?
Wenn dein Hund Trennungsangst hat und du lässt ihn alleine, während er aus Angst und Panik schreit, verstärkst du nicht das Bellen, wenn du zurückgehst. Er hat in diesem Moment Todesangst und lernt nicht, dass er bellen muss, dann kommst du wieder. Denn dies würde voraussetzen, dass er bewusst bellt, was er in diesem Fall nicht tut.
Ebenso verhält es sich bei Silvester. Für deinen Hund geht die Welt unter, er hat Angst und Panik. Wenn du das ignorierst, schädigst du nicht nur nachhaltig eure Beziehung, sondern kannst deinen Hund traumatisieren. Wenn du Angst hast und dein Partner ignoriert das, wie fühlst du dich dann?
Überlege einmal wie motiviert du auf nüchternen Magen bist… Wie ist deine Laune und wie gut ist deine Leistungsfähigkeit in diesem Zustand? Wie auch wir Menschen sind Hunde auf nüchternen Magen schneller frustriert, nicht so leistungsstark und stressanfälliger. Gerade unsichere Hunde sollten UNBEDINGT gefüttert werden, bevor der erste Spaziergang ansteht - zumindest eine Kleinigkeit.
Nicht nur, dass der nüchterne Hund schneller „grantig“ wird, es kann auch zu einer extremen Übermotivation auf Futter kommen. Das Tier ist hungrig und will unbedingt etwas essen. Er kann es kaum erwarten das Leckerli zu bekommen. Dies führt oft dazu, dass die Hunde hibbeln und hochspringen und oft gar nicht mitbekommen, was man eigentlich von ihnen möchte.
Hunger ist ein Grundbedürfnis, das IMMER gedeckt sein sollte. Würdest du zu deinem Kind sagen: „Du bekommst erst etwas zu essen, wenn du deine Hausaufgaben machst?“
Wenn du deinem Hund im Training viele Leckerchen gibst, reduziere ihm etwas das Futter, aber füttere ihm trotzdem zu seinen normalen Futterzeiten - auch vor dem Training.
Wir wissen, dass erwünschtes Verhalten innerhalb von 3 sec. belohnt werden muss, dass Hunde die Belohnung mit dem Verhalten assoziieren. Je schneller die Belohnung nach dem Verhalten kommt, desto besser ist die Verknüpfung.
Deinem pubertierendem Hund mangelt es vielleicht nur an Impulskontrolle, deshalb ist er auf den Tisch gesprungen und hat das herrlich duftende und unbewachte Essen gestohlen. Wenn du ihn jetzt in der Nacht nicht mehr im Bett schlafen lässt, er nicht mehr auf die Couch darf und hinter dir durch die Tür gehen muss, versteht er garantiert nicht, dass er nun so behandelt wird, weil er das Essen geklaut hat.
Hunde sind soziale Lebewesen und streben nicht nach der Weltherrschaft.
Gerade bei Verhaltensketten wird dieser Ansatz schwierig. Nimmt man beispielsweise das Apportieren im Dummytraining: Hund sitzt ab - Dummy wird geworfen - Hund soll Fallstrecke markieren - auf Signal „Apport“ soll Hund in direkter Linie auf den Dummy laufen - Dummy finden (mit der Nase suchen) - Dummy richtig aufnehmen - in direkter Linie zum Besitzer zurücklaufen - vor Besitzer vorsitzen - auf Abgabesignal warten - wieder in Grundstellung gehen
Es handelt sich hierbei um extrem viele Verhaltensweisen. Macht der Hund jetzt irgendwo in dieser Kette einen Fehler und danach wieder alles richtig: Der Hund läuft in Richtung Dummy, stoppt kurz weil ein interessanter Geruch auf dem Boden ist und läuft dann weiter, nimmt den Dummy auf und beendet alle Verhaltensweisen der Verhaltenskette richtig. Wenn du ihn jetzt nicht belohnst, verknüpft er das mit der letzten Handlung, also Dummy zu dir bringen und abgeben. Der Hund versteht nicht, dass er keine Belohnung bekommt, weil er dazwischen kurz gestoppt hat. Für ihn würde es also überhaupt keinen Unterschied machen, ob er mit dem Dummy im Kreis läuft und es sich selbst in die Luft wirft oder ob er nach dem Schnüffeln den Dummy aufnimmt und zurückbringt. Er bekommt so oder so kein Keks. Wieso soll er also richtiges Verhalten zeigen?
Selbst wenn nicht jedes Verhalten in der Verhaltenskette richtig oder komplett fehlerfrei ist, belohne deinen Hund. Er hat sich bemüht und viel in der Verhaltenskette (v.a. den Schluss) richtig gemacht. Passiert dieser Fehler öfter in der Kette, solltest du ein oder zwei Schritte zurückgehen und die vorigen Kettenelemente noch einmal aufbaue bzw. festigen.
Hunde können keine moralischen Sekundäremotionen (Stolz, Dankbarkeit, schlechtes Gewissen) empfinden. Was fälschlicherweise als schlechtes Gewissen interpretiert wird, ist ein normales soziales Verhalten: Der Hund fühlt sich bedroht, indem sich der Halter über den Hund beugt und drohend fragt „Was hast du angestellt?“. Darauf reagiert der Hund mit Beschwichtigungsverhalten, indem er sich klein macht, die Ohren nach hinten nimmt, den Blick abwended. Er reagiert also beschwichtigend, um eine Bedrohung abzuwenden.
Hunde assoziieren nur Verhalten, die unmittelbar passiert sind (max. 3 Sek.) und er verknüpft nicht die Couch, die er vor 3 Stunden zerlegt hat mit dem Schimpfen des Besitzers - selbst nicht, wenn dieser mit der Hand darauf zeigt.
Der Hund assoziiert allerdings das Nachhausekommen des Besitzers mit dem Schimpfen. Problematisch wird es dann, wenn der Besitzer annimmt, der Hund hat ein schlechtes Gewissen, denn das setzt voraus, dass der Hund weiß, was er falsch gemacht hat und dass er es beim nächsten Mal ABSICHTLICH macht. Der Hund zeigt dieses Verhalten allerdings aus Trennungsstress. Und so startet eine Spirale aus Stress für den armen Knopf, der lediglich Trennungsangst hat und in Abwesenheit des Besitzers die Wohnung umdekoriert.